Mein Blog ist ja seit einiger Zeit (Februar precisely) etwas eingerostet.
Das lag teils an meinem Schriftstellerischen Intellekt der auch etwas eingerostet ist, aber wohl auch daran, dass das letzte halbe Jahr so voll von Erlebnissen und Erfahrungen und tollen Sachen war, dass ich einfach weder Zeit noch Muse hatte, alles aufzuschreiben. Manchmal, da muss man alles so genießen wie es ist, und auch wenn ich manchmal echt ein ganz starkes Mitteilungsbedürfnis hab, ist es dann doch schöner wenn man verrückte Geschichten auch mal einfach nebenbei raushauen kann.
Ich will ja wenigstens noch ein bisschen interessant und geheimnisvoll bleiben hihi.
Seit knapp einem Monat bin ich nun wieder in der Heimat und habe schon alles durchgemacht - zum Beispiel allen vorgeheult wie sehr ich taiwanesischen Tofu vermisse, aber auch ordentlich den heimischen Riesling genossen und allen vorgeheult wie sehr ich Weinschorle vermisst habe.
Ihr seht, in mir herrscht noch immer ein kleines Gefühlschaos, aber das wird schon wieder.
Um meinem Jahr einen kleinen Abschluss zu verpassen, sowie diesen Blog nicht einfach ohne Ende stehen zu lassen, kommt hier jetzt ganz viel Text - ich muss ja das aufholen was ich in 6 Monaten nicht geschrieben habe.
Späßchen Häschen, so viel ists nicht, ich habe versucht mich so kurz und sachlich wie möglich zu fassen (noch nie so einen schlechten Witz gehört), but here we go, enjoy.
The Abschlussbericht, from me to you:
Kaum angefangen, ist es jetzt auf einmal schon wieder vorbei
– mein Freiwilliges Soziales Jahr in Taiwan. Es fühlt sich sehr seltsam an, nun
hier zu sitzen und den Abschlussbericht in meinen PC zu tippen. Wie packt man
die Erfahrungen eines ganzen Jahres in ein paar Seiten?
Wenn ich wollte könnte ich ein ganzes Buch schreiben (mach
ich aber nicht, das wäre ganz schön viel Arbeit wow), aber ich werde versuchen
vieles so gut wie möglich hier zusammenzufassen. Meine Zeit in Taiwan hat sich letztendlich nicht minder abenteuerlich herausgestellt als erwartet, allerdings war es noch viel mehr als das.
Taiwan ist zu meinem zweiten zu Hause geworden, und der Abschied gestaltet sich weitaus schwieriger als gedacht.
Offiziell hieß meine Aufgabe ‚Assistenz am Englischunterricht’, eher beschreiben lässt sie sich aber als ‚Lehrer für deutsche Kultur (nichts schlimmes, nur lustige Sachen wie Wurstarten oder so) auf Englisch’, das wäre aber denk ich ein doofer Name, deswegen sag ich das immer so dazu wenn ich gefragt werde.
Unterrichtet habe ich pro Halbjahr eine Klassenstufe (also insgesamt zwei, wegen eins plus eins), jede Klasse einmal pro Woche. Der Workload hielt sich also in Grenzen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Ziel des Unterrichts war in erster Linie den Schülern Englisch in einer etwas ‚interessanter’ verpackten Weise näher zu bringen, also nicht mit trockenem Vokabel und Grammatik Lernen sondern in Kombination mit Konversation über eine Kultur anders der Eigenen.
Das war nämlich die zweite Ambition meines Unterrichts, das Verständnis der Kinder für andere Kulturen zu fördern.
Ich bin mir jetzt auch ganz schön sicher dass ich ihnen
German Culture ganz schön um die Ohren geballert habe, sodass sie jetzt wissen
dass ein Brötchen nicht dasselbe wie ein Hamburger ist und man bitteschön erst
die eine, dann die andere Seite belegt, und dann nacheinander isst, so wie sich
das gehört, und mindestens ein Schüler Haftbefehl zitieren kann.
Ich habe natürlich auch wichtige Dinge in meinen Unterricht
einfließen lassen, wie deutsche Geschichte, Politik und Co., allerdings musste
man hier davon absehen dass das Englischniveau doch eher begrenzt war, was bei
der Auswahl der Themen durchaus beachtet werden musste. Selbst frisch von der Schule war ich anfänglich eher überfordert auf einmal selbst in der Lehrerposition zu sein. Sobald sich aber Gefühl für Lerntempo und Dynamik der verschiedenen Klassen eingestellt hatte, lief das aber dann auf einmal ganz von alleine.
Zudem waren meine Kollegen und Schulleitung wahnsinnig hilfsbereit und einfach nur liebenswert, was natürlich das ganze Arbeitsklima und die Gesamtsituation in puncto Zufriedenheit noch einmal verstärkt hat.
Verantwortung, beziehungsweise Eigenverantwortung, fordert nicht nur dein Arbeitsalltag, sondern auch die Freizeitgestaltung.
Alleine zu Hause zu sitzen und zu warten, dass jemand an die Tür klopft und sagt: hey, willst du mein Freund sein? bringt nichts, so was macht nämlich keiner. Und selbst wenn wäre das ganz komisch und ich würde raten auf diese Freundschaft zu verzichten, selbst wenn du ganz verzweifelt bist hilfe.
Hast du zwar Unterstützung von der Organisation vor Ort sowie in Deutschland, deinem Projekt oder auch eventuell Mitfreiwilligen, ist trotzdem ganz viel Eigeninitiative und für manche sicherlich auch Mut gefordert, sich eben selber ein paar Freunde zu angeln.
Die Angelei in fremden Gewässern erfordert natürlich etwas mehr Fingerspitzengefühl (die Deutschen ködert man anderes als die Taiwanesen lol, bin gerade so zufrieden mit meinem Wortspiel).
Vor allem die Deutsche und Chinesische/Taiwanesiche Kultur unterscheiden sich eben nicht nur dadurch, dass man statt Brot eben Reis isst, sondern durch so viel mehr.
Sei das die Sprache oder die generelle Einstellung zu Familieleben, Arbeit und Freizeit sowie Lebensweisheit.
Als einzige Ausländerin dort fielen mir die Kulturunterschiede zu Anfang tatsächlich sehr auf, und wo zwar viele Bekanntschaften entstanden sind, fehlte erst die Tiefe oder das gegenseitige Verständnis um eine Bekanntschaft zu einer richtigen Freundschaft zu machen - selbst wenn du begeistert aufgenommen wirst.
Auch der Spracheunterschied kreierte zu Anfang eine gewisse Distanz - die aber weitestgehend überbrückt wird, sobald ein gegenseitiges kulturelles Verständnis entsteht.
Dies gilt natürlich nicht nur für Freundschaften sondern auch oder vor allem für das Leben in der Gastfamilie/ in den Gastfamilien, familiäres Zusammenleben ist da ja teilweise noch einmal intensiver.
Es braucht Zeit, die Balance zwischen Respekt vor den Erwartungen und Werten der Familie sowie dem Ausleben persönlicher Freiheiten zu finden.
Dazu gehören Einfühlungsvermögen, eine gehörige Portion Offenheit und auch die Bereitschaft sich aktiv einzubringen – und dann wieder: alles läuft von alleine.
Doch kann ich jedem, der solch ein Auslandsjahr absolviert, versichern, dass die ersten Monate zwar mit Eingewöhnen verbunden sind - auf allen Ebenen, sei das kulturell, sozial, oder eben arbeitsbedingt, sobald die erste Hürde aber geschafft ist läuft das Ganze eigentlich wie von selbst. Das wichtigste sind Offenheit und Toleranz, auch wenn jemand mal anders denkt als du.
All die Dinge die ich gelernt habe, Toleranz, Eigenverantwortung, Offenheit, einen anderen Blickwinkel, aus der eigenen Comfort Zone ausbrechen und selber Wäsche waschen, haben meiner persönlichen Entwicklung maßgeblich weitergeholfen.
Das äußert sich in meinem Selbstbewusstsein, und dem Gefühl, Dinge die man sich vorher nicht zugetraut hatte oder die einem schwierig erschienen sind, meistern zu können.
So habe ich das Gefühl tatsächlich reifer und erwachsener geworden zu sein (hat meine Mama auch gesagt als ich letztens von selbst meine Schuhe geputzt habe und ich mag jetzt Rotwein, den gab es Mittwochabends immer kostenlos bei der Ladiesnight).
Meine Kehle auch, die immer noch heiser vom Unterrichten ist, meine Beine vom vielen tanzen – mit meinen Schülern, mit meiner Tanzcrew, mit meinen Freunden im Museclub in der Jiankang Street - und meine Augen von den vielen Abschiedstränen (too much?).
So war der Abschied eher bittersüß (bitter weil traurig, süß weil man so viel über seine Gefühle redet).
Ich bin so dankbar für all die Erfahrungen die ich gemacht
habe, die Orte die ich bereist habe, die Menschen die ich kennengelernt habe
und die Dinge die ich gelernt und gemeistert habe. Bevor ich zu emotional werde
(oder ist das schon zu spät), beende ich an dieser Stelle meinen
Abschlussbericht, bedanke mich nocheinmal beim ICJA, beim ICYE und der IJFD
Förderung ohne die ich mir das nicht hätte leisten können, und verabschiede
mich.