Sonntag, 27. August 2017

.....und bye bye Taiwan

Jaaaaaaa ihr wisst was jetzt kommt: sorry for not posting Boys and Girls (Eigentlich nur an meine Mama, und danke Brigitte dass du auch noch an mich glaubst).
Mein Blog ist ja seit einiger Zeit (Februar precisely) etwas eingerostet.
Das lag teils an meinem Schriftstellerischen Intellekt der auch etwas eingerostet ist, aber wohl auch daran, dass das letzte halbe Jahr so voll von Erlebnissen und Erfahrungen und tollen Sachen war, dass ich einfach weder Zeit noch Muse hatte, alles aufzuschreiben. Manchmal, da muss man alles so genießen wie es ist, und auch wenn ich manchmal echt ein ganz starkes Mitteilungsbedürfnis hab, ist es dann doch schöner wenn man verrückte Geschichten auch mal einfach nebenbei raushauen kann.
Ich will ja wenigstens noch ein bisschen interessant und geheimnisvoll bleiben hihi.

Seit knapp einem Monat bin ich nun wieder in der Heimat und habe schon alles durchgemacht - zum Beispiel allen vorgeheult wie sehr ich taiwanesischen Tofu vermisse, aber auch ordentlich den heimischen Riesling genossen und allen vorgeheult wie sehr ich Weinschorle vermisst habe.
Ihr seht, in mir herrscht noch immer ein kleines Gefühlschaos, aber das wird schon wieder.

Um meinem Jahr einen kleinen Abschluss zu verpassen, sowie diesen Blog nicht einfach ohne Ende  stehen zu lassen, kommt hier jetzt ganz viel Text - ich muss ja das aufholen was ich in 6 Monaten nicht geschrieben habe.
Späßchen Häschen, so viel ists nicht, ich habe versucht mich so kurz und sachlich wie möglich zu fassen (noch nie so einen schlechten Witz gehört), but here we go, enjoy.

The Abschlussbericht, from me to you:

Kaum angefangen, ist es jetzt auf einmal schon wieder vorbei – mein Freiwilliges Soziales Jahr in Taiwan. Es fühlt sich sehr seltsam an, nun hier zu sitzen und den Abschlussbericht in meinen PC zu tippen. Wie packt man die Erfahrungen eines ganzen Jahres in ein paar Seiten?
Wenn ich wollte könnte ich ein ganzes Buch schreiben (mach ich aber nicht, das wäre ganz schön viel Arbeit wow), aber ich werde versuchen vieles so gut wie möglich hier zusammenzufassen.

 Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich, Katharina Merzenich, Jahrgang 1997 und gebürtige deutsche Kartoffel, meine Füße auf Taiwanesischen Boden gesetzt.
Wenn ich jetzt zurückdenke, komme ich mir ganz komisch vor, als wäre das zu dem Zeitpunkt ‚Fetus Katharina’ gewesen –  alles war so ganz aufregend, neu, und ein bisschen wie ein Abenteuer.
Meine Zeit in Taiwan hat sich letztendlich nicht minder abenteuerlich herausgestellt als erwartet, allerdings war es noch viel mehr als das.
Taiwan ist zu meinem zweiten zu Hause geworden, und der Abschied gestaltet sich weitaus schwieriger als gedacht.

 Ich merke schon, das wird schon wieder ganz emotional hier, daher erst noch einmal ein paar Fakten und Eckdaten, um dem Leser mein Projekt und mein Leben dort etwas verständlicher zu machen:
Mein Projekt in Taiwan war die ’Anping Junior High School’ in Tainan City, der viertgrößten Stadt der Insel Taiwan, südlich gelegen und ganz schön heiß.
Offiziell hieß meine Aufgabe ‚Assistenz am Englischunterricht’, eher beschreiben lässt sie sich aber als ‚Lehrer für deutsche Kultur (nichts schlimmes, nur lustige Sachen wie Wurstarten oder so) auf Englisch’, das wäre aber denk ich ein doofer Name, deswegen sag ich das immer so dazu wenn ich gefragt werde.
Unterrichtet habe ich pro Halbjahr eine Klassenstufe (also insgesamt zwei, wegen eins plus eins), jede Klasse einmal pro Woche. Der Workload hielt sich also in Grenzen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Ziel des Unterrichts war in erster Linie den Schülern Englisch in einer etwas ‚interessanter’ verpackten Weise näher zu bringen, also nicht mit trockenem Vokabel und Grammatik Lernen sondern in Kombination mit Konversation über eine Kultur anders der Eigenen.
Das war nämlich die zweite Ambition meines Unterrichts, das Verständnis der Kinder für andere Kulturen zu fördern.

Ich bin mir jetzt auch ganz schön sicher dass ich ihnen German Culture ganz schön um die Ohren geballert habe, sodass sie jetzt wissen dass ein Brötchen nicht dasselbe wie ein Hamburger ist und man bitteschön erst die eine, dann die andere Seite belegt, und dann nacheinander isst, so wie sich das gehört, und mindestens ein Schüler Haftbefehl zitieren kann.
Ich habe natürlich auch wichtige Dinge in meinen Unterricht einfließen lassen, wie deutsche Geschichte, Politik und Co., allerdings musste man hier davon absehen dass das Englischniveau doch eher begrenzt war, was bei der Auswahl der Themen durchaus beachtet werden musste.

 Hier kommen wir also direkt zum ersten Punkt, den ich dazugelernt habe: Verantwortung.
Da sich das, was zu Beginn als ‚Assitenz’ ausgeschrieben war als ‚du-stehst-alleine-vor-der-Klasse-mach-einfach-mal-was-du-denkst’ herausgestellt hat, musste ich meine anfängliche Ahnungslosigkeit erst einmal herunterschlucken, und wirklich einfach machen.
Selbst frisch von der Schule war ich anfänglich eher überfordert auf einmal selbst in der Lehrerposition zu sein. Sobald sich aber Gefühl für Lerntempo und Dynamik der verschiedenen Klassen eingestellt hatte, lief das aber dann auf einmal ganz von alleine.
Zudem waren meine Kollegen und Schulleitung wahnsinnig hilfsbereit und einfach nur liebenswert, was natürlich das ganze Arbeitsklima und die Gesamtsituation in puncto Zufriedenheit noch einmal verstärkt hat.
Verantwortung, beziehungsweise Eigenverantwortung, fordert nicht nur dein Arbeitsalltag, sondern auch die Freizeitgestaltung.
Alleine zu Hause zu sitzen und zu warten, dass jemand an die Tür klopft und sagt: hey, willst du mein Freund sein? bringt nichts, so was macht nämlich keiner. Und selbst wenn wäre das ganz komisch und ich würde raten auf diese Freundschaft zu verzichten, selbst wenn du ganz verzweifelt bist hilfe.
Hast du zwar Unterstützung von der Organisation vor Ort sowie in Deutschland, deinem Projekt oder auch eventuell Mitfreiwilligen, ist trotzdem ganz viel Eigeninitiative und für manche sicherlich auch Mut gefordert, sich eben selber ein paar Freunde zu angeln.
Die Angelei in fremden Gewässern erfordert natürlich etwas mehr Fingerspitzengefühl (die Deutschen ködert man anderes als die Taiwanesen lol, bin gerade so zufrieden mit meinem Wortspiel).
Vor allem die Deutsche und Chinesische/Taiwanesiche Kultur unterscheiden sich eben nicht nur dadurch, dass man statt Brot eben Reis isst, sondern durch so viel mehr.
Sei das die Sprache oder die generelle Einstellung zu Familieleben, Arbeit und Freizeit sowie  Lebensweisheit.

 Persönlich hatte ich das Glück einige Mitfreiwillige vor Ort zu haben, Bars, Clubs und Wein eignen sich auch hervorragend um Freunde zu finden (das ist dort nicht anders wie in Deutschland auch). Wer allerdings nicht der Typ dafür ist, hat immer die Möglichkeit seinem Hobby, sei das Sport, Malen oder Stricken, nachzugehen. Google hilft einem meistens Vereine oder Clubs mit Gleichgesinnten zu finden. Meist wird einem auf Nachfrage aber auch schon so geholfen, hilfsbereite Menschen gibt es überall!
Ich hatte auch sofort die Möglichkeit meinem Hobby nachgehen zu können, da es in Tainan zwei größere Tanzstudios gab,  in denen ich mich sofort angemeldet hatte.
Als einzige Ausländerin dort fielen mir die Kulturunterschiede zu Anfang tatsächlich sehr auf, und wo zwar viele Bekanntschaften entstanden sind, fehlte erst die Tiefe oder das gegenseitige Verständnis um eine Bekanntschaft zu einer richtigen Freundschaft zu machen - selbst wenn du begeistert aufgenommen wirst.
Auch der Spracheunterschied kreierte zu Anfang eine gewisse Distanz - die aber weitestgehend überbrückt wird, sobald ein gegenseitiges kulturelles Verständnis entsteht.
Dies gilt natürlich nicht nur für Freundschaften sondern auch oder vor allem für das Leben in der Gastfamilie/ in den Gastfamilien, familiäres Zusammenleben ist da ja teilweise noch einmal intensiver.
Es braucht Zeit, die Balance zwischen Respekt vor den Erwartungen und Werten der Familie sowie dem Ausleben persönlicher Freiheiten zu finden.
Dazu gehören Einfühlungsvermögen, eine gehörige Portion Offenheit und auch die Bereitschaft sich aktiv einzubringen – und dann wieder: alles läuft von alleine.

 Da ich in einem Jahr in insgesamt drei Gastfamilien gelebt habe (aus verschiedenen Gründen) die sich untereinander auch noch einmal extrem unterschieden haben – vom Hauptberuflichen Streetfoodverkauf von Entenköpfen, die übrigens ganz lecker sind, und dreimonatigem auf dem Boden schlafen (was nicht so schlimm ist wenn man bedenkt dass das gut für den Rücken sein soll) bis zu eigenem Bad und Kingsize Bett (war aber auch nicht schlecht) und Mama als Richterin im City Court (da konntest du nie lügen) – bin ich jetzt quasi Profi im Einleben und Anpassen, wie ein Chamäleon.

 Auch die Freundschaften im Tanzstudio, sowie Freundschaften außerhalb, wurden immer tiefer, irgendwann findest du Menschen die einfach zu dir passen. Man sollte sich einfach mit dem Gedanken anfreunden dass solche Dinge nicht von heute auf morgen passieren, sondern etwas mehr Zeit erfordern.
So sage ich nicht, dass ich es immer einfach hatte, man hat gute, hammer, superhammer Zeiten aber auch mal Zeiten, in denen es doch nicht ganz so läuft wie man will oder in denen man missverstanden wird und sich dann doch einmal alleine fühlt.
Doch kann ich jedem, der solch ein Auslandsjahr absolviert, versichern, dass die ersten Monate zwar mit Eingewöhnen verbunden sind - auf allen Ebenen, sei das kulturell, sozial, oder eben arbeitsbedingt, sobald die erste Hürde aber geschafft ist läuft das Ganze eigentlich wie von selbst. Das wichtigste sind Offenheit und Toleranz, auch wenn jemand mal anders denkt als du.

 Anders denken habe ich, um es auch noch mal konkret zu nennen, ebenfalls gelernt. Aus der Box herauszudenken geht ja einher mit dem Verstehen der anderen Kultur.
Allerdings wird durch den veränderten Blickwinkel auch das Verständnis der eigenen Kultur geändert, ich habe bestimmte Dinge schätzen gelernt (Weinschorle zum Beispiel) sowie in Frage gestellt. Dies hatte zur Folge, dass sich meine eigenen Werte und meine Weltanschauung auch noch mal geändert oder zumindest in eine spezifischere Richtung entwickelt haben. Ich denke jetzt kritischer über bestimmte Dinge oder Situationen,  und hinterfrage Zustände eher als ich das vorher getan hätte.
All die Dinge die ich gelernt habe, Toleranz, Eigenverantwortung, Offenheit, einen anderen Blickwinkel, aus der eigenen Comfort Zone ausbrechen und selber Wäsche waschen, haben meiner persönlichen Entwicklung maßgeblich weitergeholfen.
Das äußert sich in meinem Selbstbewusstsein, und dem Gefühl, Dinge die man sich vorher nicht zugetraut hatte oder die einem schwierig erschienen sind, meistern zu können.
So habe ich das Gefühl tatsächlich reifer und erwachsener geworden zu sein (hat meine Mama auch gesagt als ich letztens von selbst meine Schuhe geputzt habe und ich mag jetzt Rotwein, den gab es Mittwochabends immer kostenlos bei der Ladiesnight).

 Ich bin also, um obige Kartoffelmetapher wieder aufzugreifen und das Ganze abzurunden, als junge Knolle in die Welt hinaus und bin an meinen Herausforderung zu einer reifen Kartoffelknolle herangewachsen.
Ich habe mich in Taiwan so wohl gefühlt, und Menschen überall auf der Welt kennengelernt, die mir so sehr ans Herz gewachsen sind dass es fast wehtut.
Meine Kehle auch, die immer noch heiser vom Unterrichten ist, meine Beine vom vielen tanzen – mit meinen Schülern, mit meiner Tanzcrew, mit meinen Freunden im Museclub in der Jiankang Street - und meine Augen von den vielen Abschiedstränen (too much?).
So war der Abschied eher bittersüß (bitter weil traurig, süß weil man so viel über seine Gefühle redet).

Ich bin so dankbar für all die Erfahrungen die ich gemacht habe, die Orte die ich bereist habe, die Menschen die ich kennengelernt habe und die Dinge die ich gelernt und gemeistert habe. Bevor ich zu emotional werde (oder ist das schon zu spät), beende ich an dieser Stelle meinen Abschlussbericht, bedanke mich nocheinmal beim ICJA, beim ICYE und der IJFD Förderung ohne die ich mir das nicht hätte leisten können, und verabschiede mich.

 Tschüss, oder wie die Taiwanesen sagen würden ‚byee byeeeeeeeee’ (und dabei hektisch winken),

 Kaddi