Nach fast einem Monat Funkstille melde ich mich mal wieder mit ein paar kleinen Updates.
Das wohl größte Update: ich habe meine Gastfamilie gewechselt!
Das war Anfang November und kam für mich sowie meine zu der Zeit aktuelle Gastfamilie ganz schön überraschend, wir waren davon ausgegangen dass ich ein halbes Jahr bei ihnen bleiben werde.
Mein Projekt hatte aber spontan entschieden dass ich von nun an alle drei Monate die Gastfamilie wechseln werde - wohl weil einige der Schüler ihre Eltern dazu bewegen wollten mich als ihre Gastschwester aufzunehmen, sodass es mittlerweile tatsächlich eine Art Wartliste gibt ( bin hier cooler und beliebter als in Deutschland lol).
Leider ist dies ohne meine Einverständnis passiert, und kam für mich echt so überraschend wie wenn dir jetzt ein Vogel auf den Kopf kacken würde.
So war ich die erste Zeit dementsprechend etwas frustriert, ich hatte mich gerade wirklich gut eingelebt und meinen Tagesablauf super an das Familienleben angepasst (abgesehen davon mag ich meine Gastmama Ling Lu und alle anderen richtig gerne).
Nach drei Monaten hat man eben gerade erst das Gefühl richtig angekommen zu sein, eine richtige Bindung zur Familie entsteht nicht von heute auf morgen, sondern benötigt etwas Zeit und Arbeit - und jetzt musste ich auf einmal komplett von Vorne beginnen.
Da mir bewusst ist dass mein Projekt diese Entscheidung keineswegs böswillig gefällt hat, war ich auch nicht wirklich sauer, habe aber trotzdem die Bitte geäußert beim nächsten Mal eine Gastfamilie für ein halbes Jahr festzulegen, alle drei Monate wechseln ist echt nicht toll.
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Joe, Papa, Ling Lu (vorne), Winnie, Kaddi ( hinten) beim Abscheidsdinner |
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Gastoma und Tante Demi waren auch da, beide so süß omg ich liebe die |
An der aktuellen Entscheidung war aber nicht mehr zu rütteln, und so habe ich meine Koffer gepackt und bin Mitte November auf die andere Flusseite gezogen.
Das ist trotzdem noch in Anping, ein paar Straßen von meiner alten Gastfamilie entfernt - mein Weg zur Arbeit hat sich sozusagen von sieben auf drei Minuten verringert
Das hört sich jetzt so an als wäre alles ganz schrecklich, wie eine Zwangsumsiedlung oder so. In Wirklichkeit ist meine neue Gastfamilie wirklich auch super nett!
Natürlich muss man sich erst eingewöhnen - was relativ zeitaufwendig ist und zu Anfang fiel mir das nicht ganz leicht - aber mittlerweile wohne ich fast schon einen Monat bei meiner neuen Familie und der Flow ist langsam da.
Ich wohne in einem Apartment im neunten Stock, habe eine wahnsinnig tolle Aussicht von meinem Zimmer aus ( von der Aussicht vom Dach aus will ich gar nicht erst anfangen ), ein riesiges Bett ganz für mich alleine und eine professionelle Kaffeemaschine in der Küche, die so kompliziert ist dass ich mich einen Monat nicht getraut habe mir einen Kaffee selbst zu machen.
Wenn ich richtig über die Stränge schlage, dann nehme ich die Treppe nach oben - ansonsten gibt es einen Aufzug und einen Pförtner der immer nett Hallo sagt und auf Chinesisch mit mir redet. Weil ich nicht alles verstehe sag ich dann immer nur 'Ha ha ha, yes yes', aber das ist dem glaub ich egal, ich glaube dem ist nur richtig langweilig. Ich habe da letztens drüber nachgedacht, stell dir mal vor du musst den ganzen Tag rumsitzen und das Aufregendste was einmal die Woche passiert ist dass jemand seinen Schlüssel vergisst, ganz schlimm. Ich glaube ich will nie Pförtner werden, auch wenn mein Pförtner nett ist.
Die Familie selbst besteht aus Mutter
Shun Yan, Vater Thomas und Tochter Carol. Shun Yan arbeitet in einem
Reisebüro, Thomas bei 7/11 soweit ich das richtig verstanden habe, jedenfalls
hat er immer ganz komische Arbeitszeiten und muss von 4:00 morgens bis 14:00
Mittags arbeiten. Wenn er nicht arbeiten muss geht er gerne angeln, da ist er
auch gut drin, wir haben abends immer Fisch!
Carol ist zwölf und geht auf die
Anping Junior High School, also dort wo ich unterrichte und den Schülern beibringe wie man Schweinshaxe richtig ausspricht.
Schweinshaxe gibt es bei uns aber nicht zu Essen (zum Glück, ich mag die nämlich eigentlich gar nicht), aber richtig gutes selbstgemachtes Essen. Die meisten Familien kochen nämlich nicht selbst, hier ist das 'Auswärtsessen' nämlich fast günstiger als selber zu kochen.
Umso mehr freut man sich dann wenn es selbst gekocht ist, und juunge kann meine Familie kochen!
Hier paar Pics von meinem ersten Tag in der neuen Familie:
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Tofu mit Bohnen |
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Muscheln oder so, aber nicht vom Strand die |
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'Milkfish', falls du mal nach Taiwan kommst iss den, der ist gut |
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Reisrisotto mit Pilzen und Kräutern |
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Carol und Thomas |
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Shun Yan rührt das Risotto |
Alles in allem ist meine neue Familie ganz anders als die Alte, was teilweise glaube ich daran liegt dass Carol noch einmal jünger ist als meine vorherigen Gastgeschwister. So ist meine neue Gastfamilie nicht gewohnt dass ich so vieles auf eigene Faust mache, ich bin auf einmal wieder total behütet, was einerseits zwar schön ist weil ich meine Wäsche nicht mehr selbst waschen muss, andererseits für mich aber auch anstrengend, ein kleines Kind bin ich ja nun auch nicht mehr. Ich bin eigentlich gerne eine Independent Young Woman die sich ihr Frühstücksbrot selbst schmieren kann. Vor allem das Weggehen am Abend ist für sie glaube ich noch ungewohnt, meiner alten Gastfamilie war immer herzlich egal wo ich mich herumgetrieben habe und jetzt muss ich schon ein bisschen mehr Rücksicht nehmen, ihr hättet mal das Gesicht von meinem Gastpapa sehen sollen als ich gesagt habe dass ich um 3 Uhr in der Nacht nach Hause kommen werde, da hat er sogar richtig süß angeboten mich abzuholen. Das ist übrigens ganz normal für taiwanesische Familien - traditionellerweise leben Kinder sogar bei ihren Eltern bis sie verheiratet sind und werden umsorgt. So ist auch ein erwachsener dreißigjähriger Mann, der noch zu Hause wohnt nichts ungewöhnliches. Den nennt keiner Muttersöhnchen, der hatte einfach noch kein Glück in der Liebe.
Meine erste Gastfamilie war da einfach eine Ausnahme, meine Aktuelle ist halt ganz schön taiwanesisch - den Kulturschock habe ich quasi jetzt erst. Ich finde aber so langsam ein gutes Gleichgewicht in Sachen Gastfamilie und mich selbst zufriedenstellen.
Ok, ich mach hier mal Schluss, es gibt schon noch mehr zu erzählen, ich zwinge mich aber gleich mit Hans und James Joggen zu gehen. Hans ist mein früherer Nachbar, der einen richtig komplizierten Chinesischen Namen hat und sich deswegen für mich Hans getauft hat, und James sein Arbeitskollege. Mit beiden geh ich ein bis zweimal die Woche laufen und seit einiger Zeit schaffe ich immer die 10 Kilometer was mich echt super stolz macht! Dazu fahre ich jeden Tag mindestens einmal Fahrrad, ohne Fahrrad komme ich nämlich nirgends hin weil hab keinen Scooter, und dann gehe ich noch zwei bis dreimal die Woche ins Tanztraining - abnehmen tue ich trotzdem nicht weil es hier so viel Essen gibt dass ich gar nicht mehr weiß was ein Hungergefühl ist. Aber werde wenigstens nicht dicki.
Thx 4 reading my Post, Greetz aus Taiwan das jetzt auch nicht mehr 25 Grad warm ist, sondern so pipapo 18.
(Trotzdem wärmer als Deutschland)